von Rechtsanwalt Tobias Ritzenthaler, LL.M. Sportrecht (Universität Bayreuth)
Bereits im vorletzten Beitrag wurde die Aussetzung des Auf- und Abstiegs als eine Möglichkeit der Verbände zum Umgang mit einer durch die Corona-Pandemie abgebrochenen Spielzeit einer Amateurliga erörtert und dabei eine Entscheidung eines Gerichts über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme vorgestellt. Der folgende Beitrag befasst sich nun mit der rechtlichen Beurteilung der sog. Quotientenregel durch staatliche Gerichte.
Geklagt hatten einige bayerische Amateurvereine, deren erste oder zweite Mannschaften durch die Anwendung der Quotientenregel vom Abstieg in eine tiefere Spielklasse betroffen waren. Der bayerische Fußballverband hatte zuvor beschlossen, die Quotientenregel dann anzuwenden, wenn 75% der Mannschaften einer Liga mehr als 50% ihrer Spiele absolviert hatten, andernfalls wurde die Spielzeit der jeweiligen Liga annulliert. Der Quotient errechnete sich dabei aus der Anzahl der Punkte geteilt durch die Anzahl der absolvierten und der von einem Sportgericht gewerteten Spiele. Anhand der jeweiligen Quotienten wurde sodann eine tabellarische Einstufung vorgenommen, die letztlich über Auf- und Abstieg entschied.
Das angerufene Oberlandesgericht München bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts München, welches die Anwendung der Quotientenregel für angemessen erachtete. Beide Gerichte hoben in ihren Urteilsbegründungen zunächst hervor, dass aufgrund der außergewöhnlichen Situation einer Pandemie und den Auswirkungen staatlicher Beschränkungen auf den Spielbetrieb den Verbänden ein eigener Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum verbleiben müsse, wie am besten mit der Situation umgegangen werden solle. Weiterhin stellten die Gerichte fest, dass sämtliche denkbaren alternativen Wertungsmöglichkeiten (Annullierung der Saison ohne Wertung; Wertung anhand der Vorrundentabelle ohne Berücksichtigung bereits absolvierter Spiele der Rückrunde; Wertung anhand des Tabellenstandes bei Abbruch ohne Berücksichtigung des Umstandes, dass ggf. eine unterschiedliche Anzahl an Spielen ausgetragen wurden; etc.) jeweils mit Vor- und Nachteilen für einzelne Vereine einhergegangen wären und jeweils erhebliche Schwierigkeiten für die Organisation des Ligabetriebs durch die Verbände entstanden wären. Vor diesem Hintergrund war die getroffene Verbandsentscheidung zur Anwendung der Quotientenregel nach Auffassung der Gerichte nicht unbillig und daher angemessen.
Die Entscheidungen der Gerichte überzeugen. Sie berücksichtigen zum einen die sog. Verbandsautonomie, wonach die Verbände sportliche Belange grundsätzlich selbst regeln sollten. In der Sache ist zudem festzustellen, dass die Quotientenregel die bis zum Abbruch erzielten sportlichen Resultate der Mannschaften nicht völlig außer Acht lässt, was den Gedanken des sportlichen Wettbewerbs aufrechterhält. Da die Quotientenregel im vorliegenden Fall erst dann zur Anwendung gelangt, wenn mind. 75% der Ligateilnehmer mind. 50% der Spiele absolviert haben, ist dadurch auch sichergestellt, dass die Mehrzahl der Vereine zumindest einmal gegeneinander gespielt haben und somit ein (ausreichendes) Mindestmaß an sportlichem Wettkampf stattgefunden hat.