von Rechtsanwalt Tobias Ritzenthaler, LL.M. Sportrecht (Universität Bayreuth)
Das Bundesligaspiel des SC Freiburg gegen Bayern München Anfang April 2022 hat für nachhaltige Diskussionen in Fußball-Deutschland gesorgt. Zwar fiel das Endergebnis von 1:4 aus sportlicher Sicht klar aus, jedoch war sodann keineswegs klar, ob dieses Ergebnis würde Bestand haben können, da der FC Bayern in der 86. Minute kurzzeitig mit 12 Spielern auf dem Feld agierte und damit gegen eine der Grundregeln (!!!) des Fußballs verstoßen hatte. Das DFB-Sportgericht hat rechtskräftig entschied, dass die Spielwertung Bestand habe und der Wechselfehler für den FC Bayern ohne Folgen bleibe. Doch ist dieses Urteil wirklich korrekt?
Die maßgebliche Rechtsfrage in diesem Verfahren lautete: Stellt der kurzfristige Einsatz eines 12. Spielers einen schuldhaft begangenen Einsatz eines nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spielers nach § 17 Ziff. 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB dar? Das Sportgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass die Hauptschuld für den Wechselfehler beim Schiedsrichterteam gelegen habe, da dieses den Auswechselspieler aufs Spielfeld gelassen habe ohne dabei zu kontrollieren, dass der auszuwechselnde Spieler das Spielfeld verlassen habe. Dem FC Bayern sei daher keine bzw. höchstens eine geringfügige Schuld anzulasten, die außer Verhältnis zu der schwerwiegenden Rechtsfolge einer Spielumwertung stehe.
Diese Auffassung des DFB-Sportgerichts wird vom Verfasser dieses Beitrags nicht, zumindest nicht vollständig geteilt. Richtig ist dabei unzweifelhaft, dass nach Regel 3 der Fußballregeln der Auswechselvorgang grundsätzlich vom Schiedsrichter zu kontrollieren ist und dieser auch zu prüfen hat, ob die Spieleranzahl pro Mannschaft auf dem Spielfeld korrekt ist. Allerdings verkennt das Sportgericht, dass der auswechselnden Mannschaft nach Regel 3 der Fußballregeln in mindestens gleichem Umfang die Verantwortung für den Auswechselvorgang obliegt. Denn in Regel 3 heißt es ausdrücklich, dass der Auswechselspieler das Spielfeld erst betreten darf, nachdem der ausgewechselte Spieler das Spielfeld verlassen hat und nach einem Zeichen des Schiedsrichters. Zwar gab es das Zeichen des Schiedsrichters zum Betreten des Spielfeldes, allerdings hatte der auszuwechselnde Spieler das Spielfeld noch nicht verlassen. Diese Voraussetzung muss jedoch der Auswechselspieler bzw. sein Verein überprüfen, etwas anderes ergibt sich aus dem Regelwerk nach Auffassung des Verfassers nicht, denn der Auswechselspieler bzw. sein Verein weiß selbstverständlich genau, für welchen Mitspieler er eingewechselt werden soll, sodass es ihm ohne Weiteres möglich ist, festzustellen, ob dieser Mitspieler das Spielfeld verlassen hat.
Vorliegend kommt dann noch hinzu, dass der FC Bayern durch die Angabe der falschen Trikotnummer des auszuwechselnden Spielers einen weiteren kausalen Beitrag zum Wechselwirrwarr geleistet hat. Vor diesem Hintergrund erscheint die Überwälzung der Hauptverantwortung auf den Schiedsrichter sportrechtlich falsch, da hier ein mindestens gleichwertiger Verschuldensbeitrag des FC Bayern vorlag.
Letztlich ist also festzustellen, dass die Entscheidung des Sportgerichts hier offenbar eher aus sportpolitischen Erwägungen getroffen wurde, da der Wechselfehler sich nicht spielentscheidend ausgewirkt hatte. Bei zutreffender Anwendung und Auslegung der Rechts- und Verfahrensordnung sowie der Spielregeln wäre allerdings die Umwertung die sportrechtlich richtige Entscheidung gewesen. Letztlich wäre nun darüber nachzudenken, das Regelwerk in Bezug auf die Verteilung der Verantwortung beim Auswechselvorgang hier klarer zu fassen oder die Rechtsfolgen für einen solchen Fall – der wahrlich keine Bagatelle darstellt – anzupassen, sodass die Spielumwertung nach eingelegtem Einspruch nicht die einzige mögliche Folge bzw. Sanktion darstellt.